Anpassung ist keine Tugend. Sie ist eine Maske
- Jeannette Kriesel
- 23. Juni
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. Juli
Aber was, wenn du dich entscheidest, sie abzulegen?

"Wer sich ständig für andere verbiegt, bescheißt letztendlich nur sich selbst" Jeannette Kriesel
Wir alle tragen Masken. Nicht für den Karneval, sondern tagtäglich, um irgendwie durchzukommen. Bei manchen ist sie so elegant angepasst, dass man sie sie für ihre Persönlichkeit halten. Bei anderen sitzt sie so fest, dass sie selbst vergessen haben, wer da drunter steckt.
Und warum? Weil wir irgendwann mal gelernt haben: So wie ich bin, ist es nicht genug. Also liefern wir. Funktionieren. Gefallen. Reagieren statt leben.
Wenn du dich öfter fragst, was andere über dich denken, dann hast du genau da dein Problem gefunden. Denn du selbst bist der Mensch, der am meisten darüber nachdenkt, was andere über dich denken, während die anderen gleichzeitig an sich selbst zweifeln und sich fragen, was du über sie denkst. Bekloppt, oder?
Klar, jeder will irgendwie gemocht werden. Die zentrale Frage ist, von welchen Menschen? Und was, wenn der Preis, um von jedem gemocht zu werden, unsere Würde ist? Unsere Freude? Unsere echten Bedürfnisse? Ich beobachte immer wieder dieselben, völlig absurden Verhaltensweisen, höre die immer gleichen limitierenden Phrasen und erlebe ständig, wie Menschen nicht danach handeln, was sie selbst für gut und richtig halten, aber von ihren Mitmenschen erwarten. Es ist zum Davonlaufen!
Die Maske schützt. Und sie macht dich gleichzeitig unsichtbar.
Perfekt sein? Hat dir vielleicht mal das Gefühl gegeben, Kontrolle zu haben. Stark sein? War nötig, als niemand da war, der dich gehalten hat. Witzig sein? Hat Konflikte entschärft, als Klarheit zu gefährlich war. Jede Maske war mal eine Antwort auf ein echtes Bedürfnis. Und sie war klug -für den Moment. Wenn du sie nicht irgendwann ablegst, wird aus Schutz ein Käfig.
Aber wir sind alle so aufgewachsen. Wer brav ist, wird gelobt. Wer leise ist, wird nicht gestört. Und wer funktioniert, wird gefeiert. Also lernen wir früh: Anpassung schützt. Und irgendwann nennen wir diese Schutzstrategie dann Charakter. Wir funktionieren, liefern, passen uns ein. In Familien. In Firmen. In Beziehungen.
Und irgendwann fragen wir uns dann vielleicht mal „Wer bin ich eigentlich ohne diese Maskerade?“
Die Antwort ist unbequem. Und großartig. Denn wenn du dich traust, die Maske abzunehmen, passiert was ganz Wildes: Du wirst wieder sichtbar, für dich selbst. Und ja, das kann erstmal wehtun. Denn unter der Maske liegt oft eine müde Version deiner selbst. Eine, die irgendwann mal gelernt hat, dass sie nicht genug ist. Nicht stark genug. Nicht klug genug. Nicht ordentlich genug. Nicht die Mutter, Tochter, Partnerin, Kollegin, die man sich so vorgestellt hat. Also hast du drauflosgelebt, brav angepasst, freundlich lächelnd und immer schön kompromissbereit. Selbstverlust im Dauerbetrieb.
Scheiß auf deinen Job, wenn du ihn hasst!
Hör auf, dich zu beschweren und trotzdem in der Tretmühle zu bleiben. Hör damit auf, dich ständig darüber zu beklagen, wie beschissen die Arbeit, der Chef, die Kollegen, die Kunden sind, es aber gleichzeitig allen recht machen zu wollen.
Was soll das? Ist es die Sicherheit? Die Rente? Die Meinung der anderen? Oder ist es einfach Angst? Dann sag das. Aber hör auf, dir einzureden, es wäre alternativlos. Ist es nicht. Du hast vielleicht einfach nur nicht den Arsch in der Hose, etwas zu verändern, zumindest noch nicht.
Scheiß auf Status, wenn er für die anderen ist!
SUV, Altbauwohnung, Designer-Label, alles fein, solange du’s aus Freude kaufst. Aber wenn du dich verschuldest, nur damit der Nachbar denkt, du hättest es geschafft, dann hast du eine ziemlich große Baustelle. Dann bist du nicht frei, sondern ein wandelnder Fake. Schon einmal von der Familie gehört, die für ihre Nachbarschaft so getan hat, als seien sie im Urlaub und zwei Wochen, bei geschlossenen Jalousien, das Haus nicht verlassen haben, damit die Nachbarn nicht denken, man könne sich keinen Urlaub leisten? Nun ja, konnten sie offenkundig nicht, aber das vorzugaukeln, ist schon ne echt schräge Nummer. Keine Ahnung, ob das wirklich stimmt, aber diese Anekdote ist durchaus realistisch.
Aber an dem Spruch „Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, mit Geld, das wir nicht haben, um Menschen zu beeindrucken, die wir nicht mögen.“, ist echt was dran. Eine irrsinnige Strategie, um die Leere im inneren zu kompensieren.
Scheiß auf später, wenn es jetzt dran ist!
Arbeitest du, weil es dich erfüllt? Oder weil Papa dann stolz ist? Liebst du, wen du willst oder wen andere für dich passend finden? Wenn du dein Warum nicht kennst, wirst du immer auf der Flucht sein. Vor den Erwartungen, vor der Stille, vor dir selbst. Ein echtes Warum ist unbequem, aber es trägt dich, auch wenn keine Sau applaudiert. Aufschieben gilt nicht, von wegen „Morgen fang ich dann mal an“ heißt oft: „Ich hab Schiss.“ Und das ist okay. Aber tu’s trotzdem. Tu’s unperfekt. Tu’s mit schweißnassen Händen und pochendem Herzen, aber TU ES!
Scheiß auf Ja, wenn du Nein meinst! Anpassung
Der Mut zum Nein ist der Anfang vom Ja. Zu dir selbst. Zu deinen Bedürfnissen. Zu deiner Wahrheit. Zu dem, was dich wirklich ausmacht. Menschen, die sich selbst ernst nehmen, leben anders. Sie kaufen bewusster. Lieben ehrlicher. Diskutieren klarer. Sie sagen Nein, ohne Schuldgefühle. Und weißt du, was dann passiert? Menschen verschwinden. Nämlich die, die sich immer nur dann melden, wenn sie was von dir wollen. Und das ist kein Verlust, das ist Erlösung. Denn wer dich nur mag, wenn du funktionierst, hat dein echtes Ich eh nie gefeiert.
Scheiß auf Instagram, wenn du echte Verbindung willst!
Likes sind keine Wertschätzung oder Liebe. Sie sind billiger Applaus für die Hülle, nicht für das Herz. Und je öfter du dich digital bestätigen lässt, desto leerer wirst du offline. Hör auf, dich für den Algorithmus zu frisieren. Du bist kein Profil, du bist ein Mensch. Und das ist ziemlich geil, wenn du dich traust, wieder du zu sein, ganz ohne Filter, Flitter und Maskerade.
Scheiß auf deinen Verstand, wenn er dich immer wieder ausbremst!
Du wirst es deinem Verstand eh niemals recht machen können. Klingt er wie ein liebevoller Freund? Oder wie ein mieser Arsch mit Hang zum Dauerdrama? Setz ihn auf die Reservebank und lass ihn herumblubbern. Er wird immer häufiger die Klappe halten. Erzeuge stattdessen förderliche Gedanken. Förderliche Gedanken sind kein trendiges Konzept. Sie sind schöpferische Magie. Kein Witz. Dein Hirn baut sich um, je nachdem, was du fütterst. Willst du immer noch Mangel und Selbstzweifel? Was du denkst, wird real. Also prüf deinen inneren Monolog.
Scheiß auf den Selbstoptimierungs-Irrsinn, wenn du dich dafür verbiegen musst!
Du brauchst kein Ashram, kein Aura-Reading, keinen Spirituellen Einheitsbrei, bei dem alle dasselbe bekommen. Du brauchst nur dich und manchmal zehn Minuten Atmen am Tag, in denen du nicht vor dir selbst wegrennst. Wer sich klein denkt, bleibt klein. Wer innerlich wächst, zieht Neues an. Wer sich selbst wieder fühlt, fängt an zu leuchten. Und das sehen die Richtigen. Glaub mir. Es braucht ein bisschen weniger So-Tun-Als-Ob und ein bisschen mehr radikale Konsequenz. Manche Ideen kosten Mut. Manche Veränderungen kosten Komfort. Aber, lohnt sich. Schon mal versucht?
So viel „Scheiß drauf“ und doch ist nicht alles egal!
Was dich bewegt, berührt, dich gut fühlen lässt, das nimm und mach mehr davon. Wer immer Everybody’s Darling ist, wird irgendwann Nobody’s Self. Also hör auf, dich ständig für alles zu rechtfertigen. Du bist niemandem eine Show schuldig. Nur dir selbst eine ehrliche Antwort. Und vielleicht eine Prise Mut. Für ein verdammt geiles Leben. Lerne wie ein Rookie, liebe wie ein Profi, verzeih wie eine Königin. Und fang an, dir selbst die Hand zu reichen. Vergib dir deinen Mist von früher. Du darfst. Punkt.
Und jetzt? Lass die Fassade bröckeln
Jetzt kannst du eine Maske nach der anderen ablegen. Du brauchst die meisten nicht mehr. Du bist nicht mehr das gekränkte Kind von früher, nicht mehr diejenige, die sie vielleicht mal gebraucht hat, um sich zu schützen. Das ist Vergangenheit. Denn das, was mal war, existiert nicht mehr. Perfektion, Anpassung, Harmonie, das waren mal deine Überlebensstrategien. Heute machen sie dich unsichtbar. Und wenn du anfängst, sie abzulegen, dann passiert etwas ganz Verrücktes: Es wird leise. Und ungewohnt. Dann wird’s ehrlich. Und unbequem. Und irgendwann wird’s: weit und frei.
Denn plötzlich bist du nicht mehr auf Sendung. Du wirst nicht von heute auf morgen zur erleuchteten Version deiner selbst. Aber du wirst wieder spüren, wann du dich selbst betrügst. Und wann du bei dir bist. Du hörst dich wieder selbst. Du merkst, wie sehr du dich jahrelang orchestriert hast, um in irgendeine vorgegebene Partitur zu passen. Aber jetzt darfst du selbst komponieren. Klingt vielleicht anfangs noch schräg und unausgereift. Aber es ist deins!
Mach dich also nicht länger selbst klein, um anderen Platz zu lassen. Verpack deine Bedürfnisse nicht mehr in Konjunktive. Sag Nein, wenn du Nein meinst, ohne ständiges Rechtfertigen oder Notlügen. Sag Ja zu deiner Müdigkeit, deiner Unvollkommenheit, deiner Lust auf mehr.
Gib dir selbst die Erlaubnis: Du darfst.
Du darfst scheitern. Du darfst groß träumen. Du darfst Pause machen. Du darfst laut sein. Du darfst in die Stille gehen. Du darfst dich neu erfinden. Ohne Maske. Ohne Standing Ovation. Ohne Filter. Und du darfst dich feiern, nicht weil du perfekt bist, sondern weil du’s endlich wagst, du selbst zu sein.
Fang an. Unperfekt. Eigensinnig. Ehrlich. Und dann schau, wer bleibt, wenn du nichts mehr darstellst. Die, die bleiben, sind deine Menschen. Der Rest waren Statisten auf Durchreise.
Fürs Protokoll
Was ich hier schreibe, ist weder neu, noch handelt es sich um besonders erhellende Weisheiten. Aber jeder spürt genau, wovon ich rede. Also warum, zum Teufel, leben so viele Leute weiter wie Statisten in ihrem eigenen Leben? Hast du beim Lesen hier und da genickt? Dann frag dich mal ehrlich: Stimmst du zu, weil du längst so lebst, wie du willst, oder nur, weil du dir vorstellst, wie es sein könnte?
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